Silvester 2001

Die ganz normalen Katastrophen einer Bauchtänzerin


Schlag 24:00 Uhr stand ich mit einem Glas Rosè-Champagner in der Hand auf dem Marktplatz in Viersen-Dülken zwischen einer Magenta-leuchtenden Telefonsäule (Zelle kann man ja nicht mehr sagen dazu) und ein paar Stromkästen, schaute mir die Knallerei an und dachte an meinen Liebsten und an alle meine Lieben.

Ich sinnierte so über den vergangenen Abend und die kleinen Unwägbarkeiten, die einer Tänzerin so passieren.

Seid ihr neugierig?

Also:

Ich hatte überraschenderweise 3 Auftritte für diesen Abend, die aber zeitlich sehr gut zu koordinieren waren.
Einen um 20:30 im Norden von Düsseldorf, einen um 21:30 in der Mitte von Düssseldorf und den letzten bitte noch vor 24:00 Uhr in Viersen-Dülken, ca. 40 km zu fahren.

Das sollte doch zu schaffen sein!
Ich hatte mir alles auf der Karte angeschaut und den Weg herausgesucht und aufgeschrieben.

Ich wollte ca. 10 Minuten früher bei dem ersten Auftritt sein, man weiss ja nie.

Der Nachmittag verging mit Vorbereitungen, die Kostüme waren präpariert, die CD's bereitgelegt, die Fingernägel rechtzeitig lackiert, ich war in guter Stimmung und rechtzeitig in der "Maske", anziehen, Tasche fertig packen, jetzt noch ein Käsebrot geschmiert (wer weiss, wann ich was zu essen kriege heute nacht), den Videorecorder programmiert und die Kontaktlinsen eingesetzt.

Verflixt, ein Fussel auf der einen Linse.
Schon im Mantel bin ich also nochmal ins Bad, Linse raus, abspülen, Linse wieder rein. Blinzel. Alles OK.
Na dann los!
Hoppla! Ich hatte mit dem Mantel ein Glas von der Ablage gewischt, es zerbrach in tausend Scherben.
So gingen schonmal 5 Minuten Vorlauf dahin im Aufsammeln der Scherben und Ausschütteln der Badematten auf dem Balkon.
Ich wollte nicht nach Hause kommen und im neuen Jahr gleich Scherben im Bad liegen haben.

Jetzt aber los! Ist es glatt heute? Wussten die anderen auch nicht so genau und so schlichen wir dahin. Mit 80 über die Autobahn, aber nur 2 Ausfahrten lang. Raus, links, rechts, rechts, links, rechts, das muss die Strasse sein. Auf die Minute pünktlich! Wo sind denn hier die Strassenschilder? Keine Ahnung, sieht aus wie ein Industriegebiet. Vielleicht da vorne. Oh, ein Wendehammer. Strassenschild? Ah, da! Falscher Name!
Also: raus da, vielleicht war ich im falschen Ende einer Einbahnstrasse.
Rumgesucht, rechts, links, nix! Habe an einer Tankstelle nach dem Namen gefragt. Der Mensch an der Kasse sagte: ich habe keine Ahnung, ich bin auch nicht von hier! Aber ein Kunde wusste es - und er wies mir genau den Weg, den ich hergekommen war. Komisch.
Ich bin also wieder da hin, oh ja: da steht ja der richtige Strassenname. Rechts rein, Hausnummer? Wo stehen denn hier die Hausnummern? Ah, da: 15. Ich musste zu Nr. 4. Ist das jetzt rechts hoch oder links runter? Ich bin rechts hoch. Mein Handy klingelte und die Auftraggeberin fragte, ob ich den Weg suche. Ich bejahte, ich sei jetzt in einem Wendehammer mit lauter Hochhäusern.
Sie versuchte, mir den Weg von der Autobahnausfahrt aus zu erklären ...... ich drehte und versuchte ihr derweil klarzumachen, wo ich bin.
Halt, ich war richtig! Ich soll dahin, wo man nur noch drehen kann ..... wo das Hochhaus steht.
Also: nochmal drehen, zurück in den Wendehammer, da wo ich vor 20 Minuten bereits war. Der Eingang in der Mitte sollte es sein, es war tatsächlich nur ein Hochhaus, sah aber von dieser Seite aus wie ganz viele.

Der Eingang war richtig, ich fand die Wohnung, und die Frau war sehr nett, ich sollte mich im Badezimmer umziehen. OK, da war es wenigstens warm. Ich gab meine CD ab mit der Anweisung: Lied Nr. 7, 3 und 4 bitte.
Dann zog ich mich um und hörte derweil eine sehr lustige und sehr laute Partystimmung. Aus dem Dialekt der Frau schloss ich: es scheint eine russische Party zu sein - mein lieber Herr Geheimrat, können die feiern!
Mir war ein wenig mulmig.
Dann war ich fertig und wartete. Wann kommt die denn um mich abzuholen? Vor der Tür war Palaver zu hören. Ich wartete. Dann dämmerte es mir: die wartet auch, aber vor der Tür! Ich schnappte meinen Schleier und öffnete die Tür, die Frau schaute neugierig und erfreut. Alles klar, sie kann jetzt gern die Musik anmachen, dann komme ich.
Gesagt, getan, im Wohnzimmer war Gelächter und Gejohle zu hören, ich sollte eine Überraschung für den Mann sein, aber der muss die Musik machen und auf meiner CD ist eine Bauchtänzerin zu sehen.
War nix mehr mit Überraschung!
Sorry, aber dafür kann ich nichts.
Im vorbeigehen erhaschte ich den Blick auf eine Uhr: jetzt sollte ich eigentlich schon unterwegs sein zum nächsten Auftritt!

Meine Musik erscholl, rhythmisches Klatschen auch, Rufen und Lachen. Na dann: los! Ich hinein in das Zimmer und habe versucht, in einem ganz normalen Wohnzimmer mit einem etwas auf die Seite geschobenen Tisch auf einem Teppich und einer Fläche von ca. 1,5 x 3 m meinen Tanz unterzubringen. Auf dem Tisch stand das komplette Essen, ich musste mit dem Schleier ein bisschen aufpassen, um nicht durch den Salat zu wischen.
Rechts sassen 4 Männer auf der Couch, links 5 Frauen und der Mann an der Musik. Ich schaute nach oben: eine Lampe und ein paar Luftschlangen, ansonsten Neubauhöhe. Da war nicht viel Kunst mit dem Schleier zu machen, ich hab halt ein wenig rumgewedelt und das Ding alsbald halbwegs elegant in den Flur geworfen.
Für einen kurzen Moment dachte ich: lass dir nicht das Heft aus der Hand nehmen, das ist dein Auftritt, deine Musik, mach was draus! Und tat ich dann auch.

Nach den ersten 2 Minuten, nach dem ausführlichen Entree kam in meiner Musik ein Break, das Haupt-Thema sollte beginnen. Der Mann an der Musik dachte: Fertig! Und schaltete zum nächsten Stück weiter. Ich sagte: nein, bitte weiterlaufen lassen! War natürlich nicht mehr möglich, aber er versuchte sein Möglichstes, setzte von vorne auf und lief im Schnellvorlauf irgendwohin in die Mitte der 2. Minute. OK, also weiter ab da.
Ich forderte den ersten Mann zum Tanz, der zweite auf der Couch stand auf und verschwand. Macht nix, da sitzen ja noch 2 Männer. Eine Videokamera war während der ganzen Zeit auf mich gerichtet, ich lächelte nett hinein. Der Mann gab sich Mühe, aber er konnte das, was er sah, nicht so schnell in eigene Bewegungen umsetzen. Das wollte ich ja erreichen!
OK, Danke, setzen, der nächste Mann bitte! Meine Musik machte wieder ein Break und wollte mit einem kleinen Akkordeon-Prelude beginnen - jedoch der Mann an der Musikanlage liess ihr keine Chance - er dachte wieder: fertig! Und schaltete ein Lied weiter. Ich lächelte nett und meinte wieder: bitte weiterlaufen lassen! Er war sehr bemüht, die Stelle in der Musik wiederzufinden ..... ich forderte inzwischen den dritten Mann auf, dann auch noch den vierten. Der vorher verschwundene zweite Mann kam kurz wieder, verschwand jedoch sofort auf dem Balkon.
Die Mannsbilder waren recht pflegeleicht, sie liessen sich nicht lange bitten und machten den Spass mit.

Dann holte mich mir eines der weiblichen Wesen zum Tanz, das war auch recht stimmungsfördernd. Ein Teil von mir registrierte, dass ihre Strumpfhose (sie tanzte ohne Schuhe) eine Laufmasche hat. Es glitzerte auch heftig auf dem Teppich. Da scheint sich vielleicht ein Perlenstrang an meinem Kostüm aufgelöst zu haben, merken! Die Gastgeberin war als Nächste dran - und dann setzte meine Musik wieder zu einer Art von Zwischenfinale an. Ich war diesmal vorbereitet und sagte in Richtung Disc-Jockey: weiterlaufen lassen ...... aber der verstand mich nicht und spielte das nächste Lied!
Ich glaube, ich liess ihn diesmal der Einfachheit halber gewähren. Bei den nächsten beiden Stücken habe ich mir alle noch verfügbare Mühe gegeben, das Trommelsolo kann ich sowieso im Schlaf.

Die Kinder lugten dauernd aus dem Kinderzimmer hervor, aber anstatt ruhig zu bleiben, johlten sie herum - und wurden des öfteren von den Eltern lautstark ermahnt, die Tür wieder zuzumachen. Oder einer der Erwachsenen ging hin und scheuchte die Kinder weg, machte die Tür zu und kam wieder. Die Kinder machten die Tür wieder auf und das Spiel ging von vorne los.
Der Mann an der Musik liess sich allerdings nicht auffordern, der war regelrecht auf der Flucht vor mir! Sowas finde ich immer lustig, aber das muss man einfach respektieren. Der Mann auf dem Balkon bekam inzwischen Besuch von einem der anderen 4 Männer.
Kurz vor Ende meines Tanzes klingelte es an der Wohnungstür - herein kam ein Mann, der sich breit grinsend in die Tür stellte. Ich grinste zurück, letzte Drehung, Pose, Verbeugung, Applaus, fertig!

Ab ins Badezimmer, Schleier unterwegs einsammeln, ich bekam gleich mein Geld. Habe mich in Windeseile umgezogen und meine Sachen gepackt. Gut, dass ich eine Flasche Wasser dabei hatte. Dann bin ich noch kurz ins Wohnzimmer um mich zu verabschieden, da sassen jetzt alle beim Essen. Die applaudierten begeistert, bedankten sich überschwenglich - und ich war doch ein wenig verlegen.
Die waren wirklich nett! Meine CD lag schon im Flur bereit.

Auf geht's zum nächsten Auftritt! Ich hatte noch 5 Minuten, dann sollte ich eigentlich da sein, aber das war nicht zu schaffen. Inzwischen hatte es ein wenig geschneit, sind die Strassen jetzt glatt oder nicht?
Die Autobahn war nicht weit, ich fuhr drauf und hörte das Geräusch von Reifen auf einer nassen Strasse und auf meiner Windschutzscheibe sah ich den Wasserschleier des Vordermanns. Gut! Also Vollgas voraus! Ich kam prima durch, war ca. 15 Minuten nach der vereinbarten Zeit an der Strasse, jetzt noch rechts rein da ...... geht nicht, Einbahnstrasse.
Mist!
Also: nächste rechts, dann wieder rechts. Und wo ist jetzt diese Kneipe? Hotel ..... Imbiss ..... die Strasse da oder die? Oh wei, vorbei! Einmal rum um den ganzen Pudding (Fürstenplatz), da: ein Taxistand. Ausgestiegen, gefragt.
Was sagt der, wohin soll ich? Zum Landtag? ????? Der ist zwar auch nicht weit, aber das kann trotzdem nicht sein! Zettel aus der Tasche gekramt (gut, dass ich ihn griffbereit hatte) und siehe da: die Kneipe heisst ganz anders. Ich hatte mich im Namen vertan. Ja, die Truhe, die muss da vorne irgendwo sein.
Also nochmal rum um den Pudding ..... na, welche Strasse denn nun ??????
Nochmal raus und 2 mal rechts, dann aber hab ich die richtige Strasse gefunden - und die Truhe ist tatsächlich fast vorne an der Hauptstrasse (also rückwärts in die Einbahnstrasse wäre zeitsparender gewesen.....). Ich suche einen Parkplatz. Keiner da, noch nichtmal in der zweiten Reihe. Ich stelle mich in meiner Not vor die Einfahrt und hoffe, das es die von der Kneipe ist. So war es dann auch!
Ich werde schon sehnsüchtig erwartet und erfahre etwas Schönes: die Wirtsleute sind die Ruhe selber, und das überträgt sich auf mich. Das Geburtstagskind freut sich sehr, ansonsten ist es eine typische Düsseldorfer Kneipe - und alle sind in freudiger Erwartung meiner Darbietung!
Das sind Momente, die mich erfreuen. Denn ein Teil der Last auf meinen Schultern wird plötzlich ganz leicht - die Voraussetzungen sind ideal, das Publikum ist auf Empfang geschaltet, ich muss jetzt nur noch das Richtige senden. Es ist 22:00 Uhr.

Umziehen gleich nebenan (kalt war es da!), meine CD habe ich abgegeben, alles war OK, rein ins Kostüm, den Schleier geschnappt und los!
Das Publikum war wirklich sehr lieb und total begeistert. Die Kneipe ist ein langer Schlauch mit einer klitzekleinen Tanzfläche von 2 x 2 m. Es waren vielleicht 40 Gäste da.
Diesmal hat niemand meine Musik vor der Zeit ausgemacht, ich musste im Gegenteil den Wirt nach dem ersten Stück auffordern, jetzt Nr. 3 anzuspielen. Das tat er dann auch brav, schraubte noch ein wenig an den Knöpfen herum und steuerte die Musik tadellos aus, alles bestens!
Ich holte ein paar der Gäste zum Tanzen, die kamen auch bereitwillig, es war eine nette Stimmung prima. Ein junger Mann von vielleicht 13 Jahren zappelte rhytmisch an der Theke, und ich schnappte ihn mir einfach - auch der kam bereitwillig mit und tanzte sogar toll! Sein kleiner Bruder allerdings verkrümelte sich inzwischen.
Die wollten alle beiden Zugaben haben, und ich merkte währenddessen, das mir die Kraft in den Beinen langsam ausging - und auch die Variationen in der Bewegung.
Ich bin dann nochmal nach vorne ins Lokal, habe da ein wenig getanzt, bin dann wieder zurück und habe mein Möglichstes gegeben, um diese lieben, netten Menschen zufrieden zu stellen.
Es ist auch immer wieder lustig, wenn man in einer Pose einfach stehenbleibt, wenn jemand seinen Fotoapparat auf einen richtet, damit der auch ein gutes Bild schiessen kann. Ich kann in der Zeit 3 Sekunden ausruhen!

Meine Auftraggeberin gab mir sofort noch auf der Tanzfläche das Geld, ich könnte dableiben und essen und trinken, was ich wollte. Vielen Dank, ein andermal gerne, aber heute muss ich leider sofort weiter. Als ich verschwand, applaudierte das ganze Lokal, alle bedankten sich und wünschten mir alles Gute - ich war gerührt!
Nach hinten, umziehen, BH hab ich gar keinen mehr angezogen, gut dass ich mir etwas Einfaches zum Anziehen ausgesucht habe und mich nicht mit einer Strumpfhose rumärgern musste. Ein Dank an die eigene Wasserflasche!

Kurz mit der Bürste durch die Haare, dann alles in die Tasche gestopft, ein kurzer Blick: alles eingepackt? Nochmal kurz ins Lokal, die CD's abgreifen, dankeschön sagen, Visitenkärtchen abgeben, es begleiteten mich wieder viele gute Wünsche und Dankeschöns, ein gutes Gefühl.
Die beiden Jungs kamen noch mit raus und sagten, ich hätte toll getanzt, wo ich denn das gelernt hätte? Kinder, noch nichtmal 15 Jahre alt. Niedlich, aber auch herzlich und ehrlich!

Auf nach Viersen! Es war 22:45, eigentlich hätte ich jetzt schon da sein sollen.
Ich versuchte mein Bestes, gleich links ab über die Kniebrücke und immer geradeaus. Ist es denn jetzt glatt auf der Straße, draussen auf dem Land? Keine Ahnung, auf der Gegenfahrbahn fuhr ein Streufahrzeug, aber alle anderen fuhren auch 140 km/h, also draufhalten. Radio ein, es muss ja gleich Nachrichten geben. Inzwischen war ich aufmerksam, versuchte zu spüren, was meine Reifen machten - aber die rollten brav und geradeaus. Habe zwischendurch das halbe Käsebrot gegessen und Wasser getrunken. War nix mit Nachrichten und Verkehrsfunk, nur tolle Partystimmung aus Dortmund. Radio wieder aus, ich kann jetzt keine Partystimmung gebrauchen.
Ich war um 23:15 im Lokal. Das kannte ich bereits, musste diesmal also nichts suchen, nahm einen nicht ganz regulären Parkplatz ganz weit vorne vor dem Behindertenplatz, egal. Rein ins Lokal - das ist ein nettes Speiselokal der gehobeneren Klasse; der Wirt versteht es, eine Art Wohnzimmer-Atmosphäre zu zaubern, man fühlt sich sehr wohl dort.
Er freute sich, mich zu sehen, alle waren guter Stimmung, na denn!

Links ein langer Tisch mit ca. 14 Leuten, rechts ebenso, dann noch ein Vierer- und ein Zweiertisch und an dem Tisch da sitzt offensichtlich die Familie vom Wirt und der Mann der Kellnerin. Es gibt noch 2 Männer, die machen schöne Live-Musik, der eine hat so ein Holzinstrument zwischen den Knien (Bratsche?) und der andere .... weiss ich nicht mehr. Aber die Musik war gut, so warm.

Ich wollte meinen Tanz unbedingt noch vor Mitternacht absolvieren, deshalb wollte ich mich sofort umziehen, sagte, dass ich 5 Minuten brauche, dann sollte mir vielleicht jemand ein paar Haken am Oberteil schliessen. Ab nach hinten auf die geräumige, aber kalte Toillette, das Kostüm aus der Tasche gezerrt, runter mit den Klamotten, rein in das gute Stück. Zwischendurch mal eben zur Seite treten, da wollte jemand an mir vorbei ins Kabuff.
Noch ein Blick in den Spiegel, Lippenstift, Augenbrauen, Rouge nachgebessert, mit der Bürste durch die Haare, dann hab ich einfach einen Mann auf dem Flur angesprochen, der mir die letzten Haken am Oberteil zugemacht hat. (Doch, manchmal kann ich auch fremde Männer auf dem Flur ansprechen!) Schleier in der einen, die CD's in der anderen Hand bin ich nach vorne. Die Tür leicht aufgemacht, hineingewunken mit meinem glitzernden Arm. Der Chef merkte nix, aber der Koch hat dann Bescheid gesagt. Die Kellnerin kam und ich erklärte ihr die Musik ..... sie wollte mir noch ein paar Haken zumachen, danke, nein, ist bereits erledigt, bitte jetzt sofort die Musik anmachen. Es dauerte, der Koch stand mit mir im zugigen Flur und schaute mal hinein, der CD-Spieler hätte nämlich so seine Macken, ob der Chef das auch hinkriegt heute ..... ich ging schon mal Musik-Kassetten holen, die hab ich immer als Reserve dabei.
Die Chefin ging einen Kassettenrecorder aus dem Lager zu holen, so ein kleines Kinderzimmergerät. Das hätte es nun gar nicht gebracht, aber ich liess mich inzwischen durch nichts mehr aus der Ruhe bringen. Fragte nach der Zeit: 23:24. Nun ja, dann werde ich halt nicht mehr vor Mitternacht tanzen, nochmal raus aus dem Kostüm und nachher wieder rein ..... aber da erscholl plötzlich die richtige Musik. Ich bin rein, habe getanzt, das Publikum war sehr aufmerksam und überrascht.

Mir war die Musik zu leise, aber es war nicht möglich dieses zu signalisieren, und so versuchte ich mein Möglichstes. Tanzte in der Mitte, mal für diesen Tisch, mal für jenen. Ich hatte richtig Platz für meinen Schleier, aber inzwischen war in meinem Kopf der Vorrat an Bewegungen ein wenig durcheinandergeraten.
Auf der einen Seite fielen mir plötzlich ganz neue bzw. alte, aber lange nicht mehr getanzte Bewegungen ein, auf der anderen Seite haperte es ein wenig mit der Koordination. Aber wirklich nur ein wenig!
Das ist aber niemandem ausser mit aufgefallen. Da an diesem Tisch knipste mich jemand, und ich wurde übermütig. Nahm dem guten Mann nach seinem Schnappschuß einfach die Kamera aus der Hand, drückte sie seiner Nachbarin in die Hand und holte mir den Mann auf die Tanzfläche. Der kam auch mit, völlig überrascht.
Damit man jetzt auch ein Foto von ihm mit mir machen kann! Die anderen an seinem Tisch freuten sich sehr darüber, man hat tatsächlich sofort ein Foto von uns gemacht. Der arme Kerl musste dann noch ein wenig mit mir tanzen, um sich das Foto zu "verdienen", bevor ich ihn mit einem netten Applaus entließ.
Das war genau die richtige Portion an Animation und recht stimmungsfördernd, mit den Leuten an dem anderen Tisch hätte ich das so nicht machen können. Ein Dank an meine langjährige Erfahrung und Intuition!

Inzwischen hatte ich erfolgreich signalisiert, dass die Musik bitte etwas lauter sein darf. Ich tanzte weiter, dann war das erste Stück zu Ende - und keiner war da, jetzt an dem CD-Spieler die Nr. 3 einzustellen. Es dauerte ein wenig, bis mein Wunsch beim Wirt ankam, dann legte er sich beinahe auf den Boden, um an dem CD-Spieler das gewünschte Lied einzustellen.
Das kam auch, mein Tanz ging weiter, ich weiss ehrlich gesagt nicht mehr viel davon. Dann sollte eigentlich das Stück Nr. 4 automatisch kommen, jedoch spielte der CD-Spieler ein ganz anderes! Also musste der Wirt nochmal auf den Boden. Ich habe noch einen netten Mann aufgefordert, der sich gespielt erschrak, als ich auf ihn zutanzte. Der machte den Spaß auch mit, zog seine Jacke aus und gab sich viel Mühe.
Meine Versuche, an dem anderen Tisch jemanden aufzufordern, waren nicht von Erfolg gekrönt, ich liess es auch recht schnell bleiben.

Dann merkte ich, dass langsam die Wunderkerzen verteilt wurden, die Sektflaschen mussten geöffnet werden, die Kellnerin verteilte Sektgläser, der Wirt war beschäftigt, das Ende meines Trommelsolos ging unter, ich war innerlich froh: geschafft!
Der CD-Spieler begann nach Lied Nr. 4 wieder mit der Nr. 7, meinem ersten Stück. (Hinterher habe ich erfahren, dass das Gerät eine Art von Zufallsgenerator hatte, vermutlich war es ein wenig verschmutzt, man konnte nichts einstellen, der spielte, was er wollte!)
Ich suchte meinen Schleier und habe auf das leise Entree noch ein paar Drehungen gemacht, mich nett verbeugt und bekam erfreulich viel Applaus - und bin danach verschwunden, der Wirt nickte mir zu, alles OK.

Umziehen wieder in Windeseile - ich fragte jemanden, der sich zwischendurch mal wieder an mir vorbei ins Kabuff drückte, nach der Uhrzeit: 23:48. Na, dann habe ich ja alle Zeit der Welt, um noch vor Mitternacht fertig zu sein! So war es dann auch, um 23:55 war ich fertig, zog mir gleich den Mantel an, schickte noch eine SMS an meinen Liebsten und dann bin ich nach vorne ins Lokal.

Alles wuselte durcheinander, ich bekam ein Glas Rosè-Champagner in die Hand gedrückt, jemand fragte nach der Uhrzeit, 23:58 inzwischen auf meinem Handy ..... ich bin dann nach draussen, denn das war ja nicht meine Party, ich war ja nur Personal.

Das war aber OK für mich, und so stand ich dann um 24:00 Uhr auf dem Marktplatz in Viersen-Dülken, sinnierte so für mich hin und dachte: eine nette Geschichte wird das geben, wenn ich es aufschreibe!


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